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Monopoly bei den E-Books?

von , 7.8.09

Mehr Lust auf E-Books, fordert Jörg Gerschlauer (auf boersenblatt.net) und meint damit nicht die Leser, sondern die Verlage. Denn ihnen fehle es noch an “Enthusiasmus und Entdeckerfreude“. Tatsächlich drängt sich der Eindruck auf, dass viele Buchverlage derzeit wie das gebannte Kaninchen auf die Schlange starren, anstatt selbst neue Wege in Richtung der digitalen Produkte einzuschlagen.

Dabei ist es höchste Zeit. Denn wo die Verlage vorsichtig abwarten, bestellen inzwischen andere das Feld und bringen sich in Stellung, um vom attraktiven Markt digitaler Inhalte ein möglichst großes Stück zu bekommen: Amazon, Apple und Google sind dabei die wichtigsten Akteure, aber auch Adressen wie Barnes & Noble oder Sony gehören dazu.

Im Kern wird hier um die Geschäftsmodelle der Zukunft gerungen und so ganz nebenbei noch der Versuch unternommen, Monopole aufzubauen. Speziell Amazon und Apple kann man die Monopolbildung schon nachsagen, während Google mit einem sehr offenen Ansatz kontert, was löblich ist. Freilich hat Google lange Zeit beteuert, nur eine Suchmaschine mit angehängter Werbeabteilung zu sein und sich nicht um Inhalte zu scheren. Nun mischt Google auf einmal doch bei den Inhalten mit.

Übrigens sollten auch Zeitungsverlage diese Entwicklung aufmerksam mitverfolgen. Denn hier zeigt sich exemplarisch, dass der Markt für digitale Bezahl-Inhalte (im Internet) ein Spiel mit mehreren Komponenten ist, die untereinander klug kombiniert, ein sehr profitables Geschäft ergeben. Wem aber wichtige Komponenten fehlen, kann das die Rolle eines Marktteilnehmers empfindlich schwächen.

Das Vorbild Apple

Apple hat bis heute mit E-Books scheinbar wenig am Hut. Steve Jobs wird sogar der Satz nachgesagt, heutzutage lese niemand mehr Bücher. Wie dem auch sei, Apple verfügt derzeit über das wohl beste System zur Vermarktung digitaler Inhalte, weil man:

  1. mit dem iPod, dem iPhone und ab Herbst 2009 vermutlich auch einem Tablet-Gerät über eine sehr attraktive Auswahl an Hardware (als Lesegeräte) verfügt;
  2. mit iTunes eine perfekte Kombination von Abspielsoftware und Online-Shop besitzt, wo der nächste Einkauf buchstäblich immer nur einen Mausklick entfernt ist;
  3. mit den Applikationen rund um das iPhone (App Store) eine zusätzliche Nutzenebene geschaffen hat, die eine schier unendliche cross-mediale Verknüpfung von Software und Inhalten ermöglicht.

Wie attraktiv dabei speziell das iPhone ist, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass Konkurrent Amazon seinen Kindle auch als Applikation dafür (kostenlos) anbietet, den “Reader im Reader” sozusagen.

Wo anfangs nur der iPod als Abspielgerät für Musik war, ist im Laufe eines Jahrzehnts ein perfektes System für digitale Inhalte jeglicher Art geworden. Gerüchten zufolge arbeitet man bei Apple gerade daran, die letzte größere Lücke, den Bereich der E-Books,  zu schließen. Es wären genau die Inhalte, die optimal zum angekündigten Tablet passen würden.

Aber wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Und so muss sich Apple den Vorwurf gefallen lassen, am liebsten ein Monopolist sein zu wollen, weil seine diversen Hardware- und Software-Komponenten zwar wunderbar zusammen passen, aber nur ungern – oder gar nicht – fremdkompatibel sind.

Amazon, Barnes & Noble, Sony

Dass das Konzept von Apple einer weitgehend geschlossenen Plattform monopolistische Züge hat, erkannte auch Amazon und entschloss sich deshalb wohl, dem etwas Ähnliches entgegen zu setzen. Mit dem Kindle wurde nämlich ebenfalls eine sehr restrikitive Lösung geschaffen, die sich von Apples Konzept eigentlich nur darin unterschied, dass man auf der Ebene der Inhalte andere Marktsegmente anvisierte (E-Books, Zeitungen, Blogs).

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"Monopoly – the world's most popular game": Die Akteure am E-Book-Markt (Foto: Flickr/Mr. Beaverhousen, cc-by-nc-sa)

Der Kindle von Amazon war aber auch das Signal an den gesamten Markt, verstärkt darüber nachzudenken, wie digitale Inhalte am besten zu vermarkten sind bzw. welche Rolle dabei eine (attraktive) Hardware spielt. Denn auf der Ebene der Hardware und ihres Betriebssystems wird entschieden, welche Inhalte (Dateiformate) damit überhaupt kompatibel sind.

Die Kompatibilität aber wiederum ist der Schlüssel zu exklusiven Inhalten und der Möglichkeit, Preise zu setzen, die der Wettbewerb nicht nennenswert beeinflussen kann, wenn er keinen Zugang zur entsprechenden Plattform hat.

Deshalb sollte auch sorgfältig beobachtet werden, wie Barnes & Noble seine neue E-Book-Plattform mit dem Plastic Logic Reader verknüpfen wird. Zwar sollen die E-Books selbst auf einer kostenlos erhältlichen Abspielsoftware laufen, die kompatibel mit allen Rechnern sein wird. Für den Plastic Logic Reader wird es aber zumindest temporär für Barnes & Noble eine Art Exklusivbindung geben.

Daneben kämpft Sony mit seinen Lesegeräten bislang den “heroischen” Kampf für eine plattformunabhängige Hardware, obwohl man im Konzern mit der PlayStation auf der Ebene der Computer-Spiele sehr wohl das Wissen und die Erfahrung dazu hat, wie geschlossene Systeme funktionieren.

Aus der Sicht der Konsumenten betrachtet, ist erfreulich, dass allmählich Bewegung in den Markt für E-Books kommt. Allerdings sollte dies nicht dazu führen, dass am Ende eine Situation wie bei den Computer-Spielen entsteht, wo durch die enge Koppelung von Hardware und Software einige wenige große Anbieter (Microsoft Xbox, Nintendo Wii, Sony PlayStation) weite Teile des Marktes kontrollieren und dabei untereinander weitgehend inkompatibel bleiben.

Zudem sollten sich die klassischen Buchverlage nicht marginalisieren lassen. Denn auf den Plattformen wie iTunes oder auch Amazon kann fast schon jeder publizieren (auf iTunes etwa Podcasts, aber vielleicht auch bald E-Books). Aus Sicht der Autoren mag dies mit dem Blick auf die Margenteilung sehr lukrativ erscheinen, allerdings gibt es dafür dann auch kein Lektorat. Hier müssen die Verlage sehen, wie und ob sie ihr Qualitätsversprechen in die neue Zeit retten können und sich sowohl gegenüber den Autoren als auch bei den Lesern positionieren.

Google und seine Bücher

Ob Google noch zum Rettungsanker für die klassischen Verlage wird? Google scannt bekanntlich seit längerem schon die Bücher ganzer Bibliotheken ein und will diese online verfügbar machen. Was als “Buchsuche” begann, soll in ein kommerzielles Geschäft münden, bei dem der vollständige Zugriff auf die Inhalte der Bücher gegen Entgelt möglich wird.

Google wird damit zum Buchhändler, oder auch nicht: Denn der Plan sieht vor, dass die Bücher letztlich nicht als Datei auf den Rechner des Käufers heruntergeladen werden, sondern “in the Cloud” verbleiben, also im Netz. Der Käufer erwirbt dabei nur das Recht, jederzeit auf die Inhalte des Buches von jedem internetfähigen Gerät aus zuzugreifen.

Dieser Ansatz ist prinzipiell sehr gut, denn er unterläuft die Bestrebungen anderer Anbieter, mit einer speziellen Hardware und speziellen Dateiformaten monopolartige Inseln zu schaffen. Parallel dazu können partizipierende Verlage ihr Sortiment auch über andere Plattformen vermarkten, so dass eine vielfältige Handelslandschaft entstehen kann.

In diesem Licht betrachtet muss Google nicht zwingend als “Parasitenverlag” gesehen werden, wie dies Oliver Jungen für die FAZ notiert hat. Denn noch ist nicht klar, dass gute Bücher künftig nur noch auf den Servern von Google liegen werden. Vielleicht wachen die Verlage ja noch auf.

Fazit

Insgesamt ist heute klar, dass die Digitalisierung vor den Büchern nicht halt macht und wir im nächsten Jahrzehnt ein buntes Nebeneinander diverser Plattformen zur Vermarktung einerseits und Lesegeräten andererseits haben werden. Spannend wird dabei auch die Frage sein, was ein digitales Buch als solches überhaupt ausmacht und wie sich die Medienkonvergenz von Text, Bild, Video und Ton im Internet auf Produktgattungen noch auswirken wird.

Dabei sollte es aber nicht zu monopolartigen Strukturen kommen. Der Markt für Wissen und Unterhaltung muss offen und transparent gehalten werden sowie einem gesunden Preiswettbewerb unterliegen. Mit etwas mehr Lust auf E-Books seitens der Verlage ist das durchaus zu erreichen.

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