#Fernseh-Duell

Kieler Woche: Alles auf Anfang?

von , 23.7.09

Wer sagt eigentlich, dass Fernsehduelle zwischen Großen Koalitionären langweilig sein müssen? Seit einigen Wochen seufzen vornehmlich die gedruckten Qualitätsmedien, das für den 13. September geplante Duell zwischen Kanzlerin und Vizekanzler sei eine Farce. Die Kooperation während der abgelaufenen Legislaturperiode mache eine echte Konfrontation unmöglich – eine etwas kurzsichtige Perspektive, denn natürlich werden CDU und SPD noch die Ärmel hochkrempeln und markigere Töne anschlagen. Allerdings erst nach dem 30. August, wenn nach den drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und dem Saarland endgültige Klarheit über die Ausgangsposition für den vierwöchigen Wahlkampf-Endspurt bis zum 27. September besteht. Doch nun bringt das vorzeitige Ende der CDU/SPD-Regierung in Kiel zusätzliche Würze in das deutsche Wahl- und Debattendurcheinander.

Es wundert wenig, dass gerade die Zeitungen dem Duell kritisch gegenüberstehen, denn Organisation, Durchführung und – vor allem – die Aufmerksamkeit eines großen Publikums sind für die veranstaltenden Fernsehsender ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSAT.1 reserviert. Doch auch abseits des „medialen Futterneids“ spricht nicht wenig dafür, dass die Auseinandersetzung spannend werden dürfte – zumal die Duell-Freunde nun wohl auch noch eine unerwartete Zugabe aus Schleswig-Holstein erhalten dürften: am Donnerstag verneinte der Kieler Landtag die von Peter-Harry Carstensen gestellte Vertrauensfrage, Neuwahlen sind für den 27. September angesetzt. Die Parteien stehen schon in den Startlöchern für einen neuerlichen Instant-Wahlkampf, und dazu gehört höchstwahrscheinlich auch eine Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten. Wenn es nach dem SPD-Mann Ralf Stegner ginge, könnten es vermutlich auch mehrere sein. Noch-Ministerpräsident Carstensen dürfte eher zurückhaltend verhandeln, obwohl er 2005 gegen die damalige Amtsinhaberin Heide Simonis gar nicht mal so schlecht ausgesehen hatte.

Aber: es ist keinesfalls sicher, dass überhaupt ein Duell stattfindet, denn die Verhandlungen zwischen den Spitzenkandidaten und dem ausrichtenden NDR folgen keinerlei Regelwerk, sondern sind auf die Übereinkunft aller Beteiligten angewiesen. Und das, obwohl weltweit ein „Goldenen Zeitalter der TV-Debatten“ angebrochen ist. So schätzt zumindest Alan Schroeder, Autor des Standardwerkes „Presidential Debates: 50 Years of High-Risk-TV“, die aktuelle Lage ein:

„2009 gab es Debatten in Indonesien, der Mongolei, Honduras, Chile und sogar in Iran. Die große Verbreitung trägt zu einer allmählichen Institutionalisierung des Formates bei – das ist gut für die Demokratie und schlecht für Politiker, die sich der Verantwortung eines öffentlichen Gesprächs entziehen möchte.“

Dass es in Deutschland sehr wohl möglich ist, sich vor einer Fernsehdebatte zu drücken, hat noch im Januar diesen Jahres Roland Koch bewiesen. Nach dem für ihn nicht optimal verlaufenen Duell mit Andrea Ypsilanti im Wahlkampf 2008, hat der hessische Ministerpräsident durch geschicktes Verhandeln eine Neuauflage mit Thorsten Schäfer-Gümbel vermieden – auch weil es in Deutschland weder auf Bundes- noch auf Landesebene ein Regelwerk zur Organisation von Fernsehdebatten in Wahlkämpfen gibt.

Auch in Schleswig-Holstein wird das Verhalten in der Duell-Frage Hinweise auf die allgemeine Wahlkampfstrategie und –performance der Spitzenkandidaten geben – schon die Aussprache zur Vertrauensfrage im Landtag am Donnerstag hat gezeigt, dass eine Debatte zwischen Carstensen und Stegner ganz interessant und bisweilen unterhaltsam werden könnte.

Und das, obwohl beide als Vertreter einer gar nicht mal so unproduktiven Großen Koalition an den Start gehen.

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