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Gutefrage.net und die fleißigen Contentsklaven: Wer ist hier der Bösewicht?

von , 23.7.09

Heute habe ich mal auf gutefrage.net die Frage eingetippt: Verstößt dieses Portal nicht gegen den Anti-Google-Aufruf der Verleger? Ich habe leider keine Antwort darauf bekommen, nur den Hinweis:

Folgende ähnliche Fragen zu “Verstößt dieses Portal gegen den Anti-Google-Aufruf der Verleger?” wurden bereits gestellt: Verstößt Google systematisch gegen das Urheberrecht?

Vielleicht muss man bei dem Portal vorher einiges klären. Es wird von einem Unternehmen betrieben, an dem die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck beteiligt ist. Es geht nicht in der Hauptsache darum, die Fragen der Nutzer zu beantworten. Auch wenn es auf der Seite von Holtzbrinck eLab heißt:

„Die Philosophie dahinter ist ebenso simpel wie clever: Keiner weiß alles, aber jeder weiß etwas, was andere wissen wollen. Jeder angemeldete Nutzer kann zum Experten werden und sein Know-how zu allen Themen einbringen. Ein Service, den kein Lexikon der Welt bieten kann.“

Ziel ist es vielmehr, die Nutzer möglichst thematisch gut sortierbaren „Content“ erstellen zu lassen, Reichweite über Suchmaschinenoptimierung und Crossverlinkung auf das Angebot zu lenken und den Traffic dann anschließend über Google-Ads und Banner zu Geld zu machen. Und weil das so gut zu funktionieren scheint, gibt es mittlerweile auch noch: sportlerfrage.net, motorradfrage.net, kurzefrage.de, finanzfrage.net, reisefrage.net und gesundheitsfrage.net – die Reihe ließe sich sicher fortsetzen.

Man könnte dieses xyz-frage.net-Konzept auch als Web-Perpetuum-Mobile bezeichnen oder eben als eines der klassischen Google-Trittbrettfahrer-Geschäftsmodelle. Es setzt intensiv auf Suchmaschinenoptimierung – im SEO-Barometer III/2009 liegt gutefrage.net auf Platz 2 – und nutzt obendrein sogar Google zum Durchsuchen des eigenen Angebots. Schließlich bestehen Kooperationen zu einigen redaktionellen Verlagsangeboten.

Den meisten Nutzern allerdings, die brav ihre Fragen und Antworten auf gutefrage.net posten, dürfte hingegen nicht klar sein, wer und was dahinter steckt. Und hier beginnt es kritisch zu werden mit der Verlegermoral. Denn dass die Nutzer, ohne es zu wissen, als fleißige Contentsklaven auf einer virtuellen Verlagsgaleere rudern, ist auch Teil des Konzepts.

Bösewicht Google?

Bösewicht Google?

Nicht schlimm? An dieser Stelle muss jetzt das Zitat mit dem Glashaus und den Steinen kommen und ich stelle gleich noch eine andere Frage: Wer ist hier der Böse in diesem Spiel mit den Nutzerfragen? Das angebliche „Meinungsmonopol Google“ oder die aus der Verlagswelt kommenden Betreiber dieser Site?

Verstößt gutefrage.net gar systematisch gegen das Urheberrecht, wie man es eigentlich von Google annimmt, indem die Texte der Antwortgeber einfach einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden? Oder sollten die Nutzer froh sein, dass sie kostenlos Lösungen für ihre Probleme angeboten bekommen?

Am Ende steht die Erkenntnis, dass sich künstliche geschaffene oder besser gesagt: von vornherein auf die Bedürfnisse der Suchmaschinen zugeschnittene Inhalte besser zu Geld machen lassen, als die bedeutungsschweren, aber häufig viel zu kurzlebigen und „unordentlichen“ journalistischen Angebote.

Auf Fragen wie: Wann und Warum hat der Mensch angefangen, Schamgefühle für Nackheit zu entwickeln? Findet sich eben besser eine Anzeige bei Google (“Muslimische Singles – Erhalten Sie Partnervorschläge, die wirklich zu Ihnen passen“) als auf einen Text zum neuesten Raketenstart in Nordkorea. Der Unterschied zwischen einem Ratgeberportal und einer Nachrichtenseite besteht also darin, dass die Ratgeberseiten für Google optimiert werden und die journalistischen Angebote noch oder größtenteils für den Leser. Google verteilt in beiden Fällen nur den Traffic. Diese Erkenntnis ist nicht von mir und auch nicht neu und wurde auch in Verlagshäusers begriffen, sonst würde es ja gutefrage.net nicht geben.

Die Unterzeichner des Hamburger Erklärung, zu denen auch der aus dem Holtzbrinck-Reich stammende Zeit-Verlag gehört, sollten doch einfach dazu stehen, dass ihre Online-Ventures mindestens genauso gut oder böse wie Google sind und erkennen, auf welch dünnem Eis ihr Anti-Google-Manifest steht.  Ob und wie man dem Journalismus im Web helfen kann oder soll, ist eine ganz andere Debatte.

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