#Energiemärkte

Politisch motivierte Strafen gegenüber Energieversorgern

von , 21.7.09

Es ist schon ein paar Tage her, aber dennoch wichtig: Am 7. Juli 2009 hat die EU-Kommission eine Strafe von insgesamt 1,106 Mrd. Euro gegen die beiden Gasversorger E.ON Ruhrgas und GdF Suez (ehemals Gaz de France) verhängt, 553 Mio. Euro pro Unternehmen. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte:

“Die Aufteilung von Märkten zählt zu den schwerwiegendsten Kartellverstößen. Die Kommission hat keine andere Wahl, als hohe Geldbußen zu verhängen.”

Es ist das erste Mal, dass Brüssel wegen Kartellverstößen im Energiesektor Bußgelder verhängt. Zugleich handelt es sich um die zweithöchste Kartellstrafe, die jemals von der EU in einem Kartellverfahren ausgesprochen wurde. Die Kommission ahndet mit der Strafe die angebliche Aufteilung von Gas-Märkten in Deutschland und Frankreich. Die ehemalige Ruhrgas AG und Gaz de France haben sich 1975 anlässlich des gemeinsamen Baus der Megal-Pipeline darauf geeinigt, kein darüber transportiertes Gas im Heimatland des jeweiligen anderen Unternehmens zu verkaufen. Durch die 628 Kilometer lange Pipeline wird russisches Erdgas von Tschechien durch Süddeutschland nach Frankreich importiert.

Während diese Praxis 1975 angesichts der ohnehin fehlenden Liberalisierung des Gasmarktes noch nicht besonders problematisch war, bezieht sich die Strafe auf die Zeit nach der Gasmarktliberalisierung. Denn auch nach der Liberalisierung der europäischen Gasmärkte im Jahr 2000 hätten die beiden Unternehmen an ihrer Vereinbarung festgehalten, erst 2005 seien sie endgültig davon abgerückt. Zuvor seien die Unternehmen regelmäßig zusammengetroffen, um die Handhabung der Vereinbarung in dem neu liberalisierten Markt zu erörtern und das Geschäftsverhalten der jeweiligen anderen Partei zu überwachen. Die Strafe war zwar erwartet worden und überrascht angesichts der jüngeren Brüsseler Bußgeldpraxis auch nicht, dennoch versucht die Kommission hier ein sehr deutliches Zeichen zu setzen. Dementsprechend hat der Bund der Energieverbraucher die Strafe auch als „Genugtuung für die Kunden“ bezeichnet. Jedoch stellt sich die Frage, was mit der Kartellstrafe eigentlich erreicht und bezweckt wird. Rache, Vergeltung oder Genugtuung können keine sinnvollen Kriterien für die Höhe eines Bußgeldes sein.

Auch wenn eine Marktaufteilung ohne Zweifel ein schwerwiegendes Kartellvergehen ist, wirft die Strafe daher einige Fragen auf. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der EU-Kommission keine politisch unabhängige Behörde ist. Im letzten Jahr hatte E.ON ein Bußgeld abwenden können durch die Zusage, sein Übertragungsnetz sowie gewisse Stromerzeugungskapazitäten zu veräußern. Diese eigentumsrechtliche Trennung war von der Kommission ausdrücklich gewünscht, politisch aber im Ministerrat nicht durchsetzbar. So wurde die Forderung unter Androhung eines hohen Bußgeldes mit Hilfe des Kartellrechts durchgesetzt. In ähnlicher Weise wurde das Verfahren gegen RWE eingestellt, nachdem der Konzern zugesagt hatte, sein gesamtes westdeutsches Gasfernleitungsnetz einschließlich der dazugehörigen Vermögenswerte und Dienstleistungen zu veräußern. Aus Sicht der Monopolkommission wurde in den vorliegenden Fällen das politische Ziel einer adäquaten Gestaltung der Marktstruktur in sachwidriger Weise mit Missbrauchsverfahren gegen marktbeherrschende Verbundunternehmen verknüpft.

Die Höhe der Strafe suggeriert, dass auch im jetzigen Fall politische Überlegungen eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Botschaft ist unmissverständlich: wer nicht die politischen Wünsche der Kommission erfüllt, wird drastisch bestraft. Mit der Höhe des angerichteten Schadens dürfte die Strafe nämlich wenig zu tun haben, die Kommission legt auch keine Zahlen dazu vor. Geboten ist dringend eine Entpolitisierung der europäischen Kartellrechtsanwendung. Dem Verbraucher nutzt die Strafe nämlich im Übrigen so gut wie gar nicht.

Justus Haucap ist Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.