#Bundestagswahl

Abwesenheitsnotiz: Frank-Walter Steinmeier ist zurzeit im Urlaub

von , 20.7.09

Wer heute bei der Wahlkampfzentrale von Frank-Walter Steinmeier anruft, um ein Interview zu bekommen, wird hören, dass der Außenminister für einige Tage in den Bergen Südtirols unterwegs ist. Zur genauen Dauer des Urlaubs möchte die SPD Pressestelle sich nicht äußern.

Ich würde auch nicht offenbaren wollen, dass der potenzielle Herausforderer für das Kanzleramt 70 Tage vor der Bundestagswahl für eine unbestimmte Zeit in den italienischen Alpen seinen Frust abbaut. Dass Steinmeier die Grenzen der Bundesrepublik so kurz vor der Wahl verlässt ist, symptomatisch. Abgesehen davon, dass der Außenminister kein ernst zu nehmender Gegenkandidat für Amtsinhaberin Merkel ist, ist der Wahlkampf momentan durch fehlende Konfliktthemen, ausbleibende Kandidatenbegeisterung und nicht-existente Ideen zur alternativen Regierungspolitik geprägt.

Steinmeier muss etwas riskieren, wenn er ernst genommen werden möchte. Seine mitreißende Rede auf dem SPD-Parteitag in Berlin ist medial vollkommen verpufft. Der rhetorischen Glanzleistung wurde von Seiten des Wahlkampfteams nichts nachgelegt. Diese Rede wäre eine Möglichkeit gewesen, Steinmeiers Image als akribischer Aktenfresser in der Öffentlichkeit zu ändern. Dies ist allerdings nicht geschehen. Nur sehr wenige Menschen in Deutschland lassen Begeisterung oder Aufbruchstimmung beim Namen Steinmeier anklingen. Beim Sommerfest der SPD Brandenburg hat mir ein ehemals führender Genosse sogar gesagt, dass er Steinmeier empfiehlt, bescheidener aufzutreten. Er meinte damit, dass die Wähler mit Steinmeier als Außenminister zufrieden wären. Daher solle er aufhören zu sagen dass er Kanzler werden will. Mit anderen Worten: wir werden zwar gegen Merkel verlieren, aber wenn die Wähler anerkennen, dass wir gut Arbeit geleistet haben, werden wir nicht zu sehr bestraft. Eine solche Strategie, die eine Fortführung der Großen Koalition impliziert, ist eine Bankrotterklärung. Damit lässt sich weder die eigene Parteibasis noch neue Wählergruppen mobilisieren. Merkel, die übrigens Ende Juli in Bayreuth und danach in den Alpen Urlaub macht, kann sich also ihrer Sache sicher sein und möglicherweise sogar ihre Wunschkoalition mit der FDP realisieren.

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Frank-Walter Steinmeier in Südtirol beim ZDF-Sommerinterview: "Zur genauen Dauer des Urlaubs möchte die SPD-Pressestelle sich nicht äußern." (Foto: ZDF)

Wie kann diese Wahlkampfstrategie von Steinmeier interpretiert werden? Es könnte ja gut möglich sein, dass Steinmeier gar nicht an einen möglichen Sieg glaubt. Vielleicht weiß er, dass er in die zweite Reihe gehört und mit dem Posten des Außenministers zufrieden sein sollte. Doch ich kann das nicht akzeptieren. Der Wahlkampf ist so langweilig, dass weitere nichtige Debatten eine Zumutung wären. Das Desinteresse und fehlende Vertrauen in die Politik kommen nicht aus heiterem Himmel. Ich fordere Herrn Steinmeier auf, dass er sofort nach Deutschland zurückkehrt und als erstes eine grundsätzliche Erklärung abgibt, dass es mit ihm keine Fortführung der Großen Koalition geben wird. Entweder wird er Kanzler oder gar nichts! Wenn er das auch noch in einer Rede mit Emotionen (die ihm scheinbar etwas Überwindung kosten) rüber bringen könnte, hätte er nicht nur meine volle Aufmerksamkeit sondern auch eine wirkliche Chance, die Wahl zu gewinnen.

Es ist Zeit, durchzustarten. Steinmeier macht einen großen Fehler, so kurz vor dem Wahltermin in den Privaturlaub abzutauchen. Wenn Steinmeier darauf spekuliert, dass das große ZDF-Sommerinterview mit Peter Frey aus Südtirol die große Stimmungswende bringen wird, dann wird er sich mal wieder verkalkulieren. Nur zu sagen, „ich kann es und ich will es“ reicht nicht.

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