#Generation Upload

Der unbekannte User: Generation Upload oder Generation Cyborg?

von , 17.7.09

Bei Vodafone hat man es eigentlich gut gemeint und doch alles falsch gemacht: Die “Generation Upload“, die mit der neuen Kampagne angesprochen werden und zugleich auch als Werbeträger und Vorbild für die breiten Massen dienen sollte, ließ sich nicht in ein vordefiniertes Schema presssen und konterte mit massiver Kritik.

Reichlich schemenhaft mutet aber auch das Bild an, das man sich andernorts von diesen “Internetusern” macht, wie etwa jüngst auf einer Veranstaltung zum Heidelberger Appell im Frankfurter Literaturhaus. Was man bei Vodafone positiv sehen wollte, wurde hier zur negativen Projektionsfläche. Beide Beispiele aber sagen im Grunde wenig bis nichts über die Menschen aus, die intensiv das Internet nutzen, dafür umso mehr über die diejenigen, die sie als Zielgruppe oder als Feindbild sehen wollen.

Doch wie steht es wirklich um die Internetuser? Danah Boyd hat dieser Tage ein äußerst bemerkenswertes Bild von sich selbst gezeichnet und ihren Artikel radikal betitelt: “I want my cyborg life“. Sie schildert darin anschaulich und konkret, wie sie das Internet nutzt, als Informations- und Kommunikationsmittel gleichermassen. Besonders interessant ist ihre Schilderung da, wo sie auf die Bruchlinie zwischen ihrem persönlichen Lebens- und Kommunikationsstil einerseits und den Sichtweisen bzw. dem Verhalten von eher offline geprägten Menschen andererseits eingeht.

Dieser Bruch ist im Grunde ein kultureller. Während Danah Boyd stellvertretend für ein neues Zeitalter steht, in dem insbesondere Wissensarbeiter mit Hilfe des Internets “hier und jetzt” Informationen aktiv verarbeiten und mit anderen teilen, stehen dem gegenüber die traditionell sozialisierten Köpfe, die erleben müssen, dass ihre Werte und Normen plötzlich nicht mehr von allen geteilt werden. Dieses “nicht mehr teilen” ist dabei aber keine klassische Opposition, sondern (schlimmer noch!) ein “hinter sich lassen” und Aufbrechen in neue Verhaltensmuster, die selbst wieder Werte und Normen eigener Art herausbilden.

Das Beispiel Vodafone zeigt dabei, wie sehr man sich am Neuen verschätzen kann. Denn die neue Informationselite ist bestens vernetzt und somit in der Lage, Informationen und ihre Darstellung zu hinterfragen bzw. mit anderen Fakten zu konfrontieren. Daraus kann dann eine Dynamik entstehen, die ein Unternehmen schnell in ein schlechtes Licht rückt, weil sich unliebsame Daten nicht mehr aus der Diskussion heraushalten lassen. Die Kampagne wird zum Bumerang.

Ein oft nicht gesehenes bzw. unterschätztes Merkmal dieser neuen Generation ist auch die Tatsache, dass sie im Internet fast simultan Informationen aufnimmt bzw. recherchiert, Kontakte knüpft und pflegt (Social Networking) sowie publiziert. Wofür es vor dem Internet-Zeitalter sauber getrennte Sphären und Institutionen gab, verbindet sich in der “Google-Galaxis” alles in einem Medium und trifft sich oft genug auf ein und derselben Plattform: Auf Facebook oder Twitter etwa ist es ganz natürlich, alle drei genannten Funktionen zu nutzen bzw. auszuüben.

Damit sind die modernen Internetuser vor allem schnell und effizient. Zudem lassen sie alle möglichen Gatekeeper traditioneller Art einfach hinter sich. Nicht mehr Herausgeber oder Verleger bestimmen im Social Web, was gut und wichtig ist, sondern Aufmerksamkeit und Online-Reputation. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Heidelberger Appell wie ein Abgesang auf eine im Untergang begriffene Ordnung lesen, weil sich ihre Protagonisten im neuen, digitalen Zeitalter erst verorten und damit abfinden müssen, dass sie künftig kleinere Brötchen backen werden.

Aber wie auch immer Autoren und Verlage ihre Werke durch Leistungsschutz- und Urheberrechte werden schützen wollen, die “Generation Upload” kommt im Zweifel ohne sie aus: Ihre Überlegenheit beruht nicht nur auf dem schon frei zugänglichen Wissen im Internet, sondern auch auf der Vernetzung untereinander, über die sich rasch und unkompliziert offene Fragen klären und wichtige Hinweise weiterleiten lassen. Wer so vernetzt ist, fühlt sich wie ein Teil eines gigantischen Gehirns.

Während sich so relativ gut beschreiben lässt, was Menschen wie Danah Boyd im Internet machen (und fühlen), muss gleichzeitig offen bleiben, wer diese “Cyborgs” genau sind: Als Generation lassen sie sich jedenfalls nicht beschreiben, dazu ist die Abgrenzung dem Alter nach zu unpräzise. Falsch wäre es auch, sie mit den 250 Millionen registrierten Usern auf Facebook gleichzusetzen. Denn längst nicht jeder, der dort ein Profil von sich angelegt hat, atmet auch schon voll und ganz den Geist des neuen Zeitalters.

Als Indikator für die Größe dieser Gruppe könnte die Anzahl verkaufter Smartphones wie dem iPhone dienen: Wer das Internet auch mobil nutzt und bereit ist, die noch relativ teuren Datentarife (von Anbietern wie Vodafone) zu nutzen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mitglied dieser Gruppe. Mehr lässt sich kaum sagen.

Denn viele quantitativ ausgelegten Studien, etwa zum Nutzungsverhalten bestimmter Plattformen im Internet, verhüllen mehr als dass sie aussagen. Sie alle erfassen (noch) nicht, worum es im Kern bei dieser neuen Generation von Internetusern wirklich geht: Intelligente Vernetzung, bei der medial-statisches und persönlich-dynamisches Wissen ineinander greift und so zu neuen Leistungen und Ergebnissen führt, nicht nur auf einer fachlich technischen Ebene, sondern auch emotional und sogar künstlerisch.

“How I long for being connected to be an acceptable part of engagement”, wünscht sich Danah Boyd. Wer ihr das nicht nachfühlen kann, muss nicht besorgt sein. Auch heute noch, im Zeitalter des Automobils, gibt es Kutschenbauer und Pferdezüchter. Es sind nur nicht mehr so viele.

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