#"politische Rede"

Ich trete nicht an, um Zweiter zu werden – Steinmeiers Nicht-Rhetorik

von , 28.7.09

Der Mangel an politischen Perspektiven im diesjährigen Bundestagswahlkampf – er zeigt sich auch in der Wortwahl. Steinmeier tritt, so hören wir im Interview mit Bild am Sonntag, “nicht an, um Zweiter zu werden.”

Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er ist das Eingeständnis seiner Niederlage, bevor sie noch über die Bühne gehen konnte. Sein Ziel, der Erste zu werden, formuliert er nur als doppelte Verneinung. Nicht einmal rhetorisch tritt er hier aus dem Schatten der Kanzlerin, die gar nicht erst genannt werden muss, so präsent ist sie als ungenannte Erste. Soll heißen: Ich werde Zweiter gewesen sein, ewiger Vizekanzler, auch wenn ich dafür nicht angetreten bin.

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Kandidat Steinmeier: Von "nicht" kommt nichts.

So lassen Steinmeiers Nicht-Sätze die politische Programmatik in einer unaufhebbaren Vorläufigkeit verpuffen, statt eine politische Alternative zu formulieren. Vielleicht schafft es Sigmar Gabriel mit dem Krümmel-Monster noch, einen Begriff zu besetzen. Jedenfalls gab es seit den Münteferingschen Heuschrecken keinen Beitrag der SPD zu einer politischen Sprache mehr. So problematisch die Metapher gewesen sein mochte, man muss feststellen: sie ist eingeschlagen und bis heute in der Diskussion.

Zu Steinmeier fällt einem aber tatsächlich fast schon nichts ein.  “Steinmeier sucht die Tonart für die heiße Phase” vermeldet der Westen. Wenn Frank-Walter Steinmeier, etwa auf der aktuellen Mobilisierungskonferenz der SPD, Wechselstimmung erzeugen möchte, müsste er die Chance nutzen und eine andere Tonart anschlagen. Von “nicht” kommt nichts.

Damit klar ist, welche Sätze in der heißen Phase des Wahlkampfs nicht mehr fallen sollten, hier einmal eine Top 10 der Steinmeier’schen Nichtsätze:

  1. Ich trete nicht an, um Zweiter zu werden.
  2. Eine Krise bekämpft man nicht mit Kaninchen.
  3. Politik ist keine Schönwetterveranstaltung.
  4. Ich habe nichts dagegen, für meine politischen Ansichten zu streiten.
  5. Politik ist keine Castingshow.
  6. Aufgabe der Politik kann es nicht sein, als Unternehmer aufzutreten und klassische Unternehmensrisiken zu übernehmen.
  7. Wenn man nicht weiß, wo man hin will, findet man nicht den Weg.
  8. Die Ideologie, die uns in diese Krise geführt hat, [darf] doch nicht die Antwort auf diese Krise sein.
  9. Ein Wahlkampf lebt nicht von einmaligen Auftritten und Ereignissen.
  10. Wie sollen wir die Schulden tragen und trotzdem Kitas und Schulen bezahlen? Mit Steuersenkungen jedenfalls nicht.

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Nachtrag: Gerne nehmen wir Hinweise auf weitere hinreißende Steinmeier-Nichtsätze auf und freuen uns auf Vorschläge für Nicht-Nichtsätze für den Kandidaten.

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